Die Freie Kritische Alternative

(vormals Grüne Masseur*innen)

Lesedauer:  11 Minuten

Massage und Akupunktur lindern Krebsschmerzen gleichermaßen effektiv

In einer randomisierten klinischen Studie von Epstein et al. (20231Epstein AS, Liou KT, Romero SAD, et al. Acupuncture vs Massage for Pain in Patients Living With Advanced Cancer: The IMPACT Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open. 2023;6(11):e2342482. doi:10.1001/jamanetworkopen.2023.42482. https://jamanetwork.com/journals/jamanetworkopen/fullarticle/2811822.), an der fast 300 Patient*innen mit fortgeschrittenem Krebs teilnahmen, erwiesen sich Akupunktur und Massage gleichermaßen erfolgreich für eine langfristige Schmerzreduktion.

Hintergrund

Schmerzen sind ein äußerst unangenehmes und einschränkendes Symptom, von dem nahezu zwei Drittel der Patient*innen mit fortgeschrittenem Krebs betroffen sind. Häufig treten diese Schmerzen gemeinsam mit Müdigkeit und Schlaflosigkeit auf, was die Behandlung zusätzlich erschwert. Die onkologische Schmerztherapie setzt vor allem auf medikamentöse Ansätze, wobei Opioide zunehmend zurückhaltender verschrieben werden. Zudem äußern viele Patient*innen Bedenken hinsichtlich der Nebenwirkungen von Opioiden und anderen Schmerzmitteln. Daher gewinnen nicht-pharmakologische Schmerzbehandlungen an Bedeutung, um eine unzureichende Schmerztherapie zu vermeiden - vor allem auf dem Hintergrund verbesserter Behandlungsmethoden, die Menschen mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen länger leben lässt. Die Behandlung von Schmerzen (und komorbiden Symptomen2Komorbidität (Begleiterkrankung, Co-Morbidität) ist ein weiteres, diagnostisch abgrenzbares Krankheitsbild oder Syndrom, das zusätzlich zu einer Grunderkrankung vorliegt.) ist für die Lebensqualität dieser wachsenden Bevölkerungsgruppe deshalb von entscheidender Bedeutung.

2022 veröffentlichten die American Society of Clinical Oncology und die Society for Integrative Oncology eine gemeinsame Leitlinie, in der empfohlen wird, Akupunktur und Massage bei der Schmerzbehandlung von Krebspatienten in Betracht zu ziehen.3Die Autor*innen verweisen auf Mao JJ, Ismaila  N, Bao  T,  et al:  Integrative medicine for pain management in oncology: Society for Integrative Oncology-ASCO guideline.   J Clin Oncol. 2022;40(34):3998-4024. doi:10.1200/JCO.22.01357. Akupunktur, so führen die Autor*innen weiter aus, hat sich bislang bei Brustkrebsüberlebenden4Die Autor*innen verweisen auf Hershman  DL, Unger  JM, Greenlee  H,  et al.:  Effect of acupuncture vs sham acupuncture or waitlist control on joint pain related to aromatase inhibitors among women with early-stage breast cancer: a randomized clinical trial.   JAMA. 2018;320(2):167-176. doi:10.1001/jama.2018.8907, bei Gelenkschmerzen im Zusammenhang mit Aromatasehemmern und bei Überlebenden verschiedener Krebsarten bei Schmerzen des Bewegungsapparats5Die Autor*innen verweisen auf Mao  JJ, Liou  KT, Baser  RE,  et al.:  Effectiveness of electroacupuncture or auricular acupuncture vs usual care for chronic musculoskeletal pain among cancer survivors: the PEACE randomized clinical trial.   JAMA Oncol. 2021;7(5):720-727. doi:10.1001/jamaoncol.2021.0310. als langfristig wirksam erwiesen.

Es gibt jedoch nur wenige Forschungsergebnisse bei Patient*innen mit fortgeschrittenem Krebs.6Die Autor*innen verweisen auf He  Y, Guo  X, May  BH,  et al.:  Clinical evidence for association of acupuncture and acupressure with improved cancer pain: a systematic review and meta-analysis.   JAMA Oncol. 2020;6(2):271-278. doi:10.1001/jamaoncol.2019.5233. Massagen wiederum haben sich bei der kurzfristigen Schmerzlinderung bei Krebspatient*innen in Hospizpflege als wirksamer erwiesen als einfache Berührungen7Die Autor*innen verweisen auf Kutner  JS, Smith  MC, Corbin  L,  et al.:  Massage therapy versus simple touch to improve pain and mood in patients with advanced cancer: a randomized trial.   Ann Intern Med. 2008;149(6):369-379. doi:10.7326/0003-4819-149-6-200809160-00003., aber diese Studien haben oft eine kurze Nachbeobachtungszeit. Der Nutzen von Massagen im Vergleich zu anderen Maßnahmen wie Akupunktur ist deshalb noch ungeklärt.8Die Autor*innen verweisen auf Boyd  C, Crawford  C, Paat  CF, Price  A, Xenakis  L, Zhang  W: Evidence for Massage Therapy (EMT) Working Group.  the impact of massage therapy on function in pain populations—a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials: part II, cancer pain populations.   Pain Med. 2016;17(8):1553-1568. doi:10.1093/pm/pnw100.

Studienteilnehmer*innen

Um eine große Vielfalt an Teilnehmer*innen zu erreichen, umfasste die Rekrutierungsstrategie Abfragen von Patient*innendatenbanken, Briefmailings und Überweisungen von Ärzt*innen sowie Öffentlichkeitsarbeit. In die Studie aufgenommen wurden Patient*innen, die fließend Englisch oder Spanisch sprachen, älter als 18 Jahre waren, an einer fortgeschrittenen Krebserkrankung litten und einen Karnofsky-Index9Der Karnofsky-Index ist eine Skala zur Einschätzung der Aktivität von Patient*innen mit bösartigen Tumoren, der 1948 vom amerikanischen Onkologen David A. Karnofsky entwickelt wurde. Der Index wird auch Performance Status, Karnofsky Performance Index oder Karnofsky-Aktivitäts-Skala genannt. Jedem*Jeder Patient*in wird auf einer linearen Skala ein Punktewert zwischen 0 (tot) und 100 (normale Aktivität ohne Einschränkungen) zugeordnet. von mindestens 60 hatten. Das bedeutet, dass sie nicht arbeitsfähig waren, aber zu Hause lebten und sich um die meisten persönlichen Bedürfnisse kümmern konnten - wenngleich sie unterschiedlich viel Unterstützung benötigten.

Als fortgeschrittene Krebserkrankung wurden definiert: Lungenkrebs im Stadium III oder IV, Bauchspeicheldrüsenkrebs in jedem Stadium, inoperables Cholangiokarzinom10Cholangiokarzinom: Gallengangskarzinom., inoperabler Leberkrebs, inoperabler ampullärer11Ein ampulläres Karzinom ist eine seltene Krebsart, die in der Ampulla Vateri entsteht, wo Gallengang und Pankreasgang zusammentreffen und in den Dünndarm münden. oder periampullärer Krebs12Ein periampulläres Karzinom ist ein bösartiger Tumor, der in der Nähe der Papilla Vateri (Ampulla Vateri) entsteht. Diese anatomische Struktur befindet sich im Zwölffingerdarm, wo der gemeinsame Gallengang und der Pankreasgang in den Dünndarm münden. Der Begriff "periampulläres Karzinom" umfasst verschiedene Krebsarten, die in diesem Bereich auftreten können. oder anderer gastrointestinaler Krebs im Stadium IV, Eierstock- oder Eileiterkrebs im Stadium III oder IV oder anderer gynäkologischer Krebs im Stadium IV, Brustkrebs im Stadium IV, Urogenitalkrebs im Stadium IV, Sarkom13Ein Sarkom ist ein bösartiger Tumor, der aus Zellen des Binde-, Stütz- oder Muskelgewebes entsteht. Diese seltenen Krebserkrankungen können nahezu überall im Körper auftreten, beispielsweise in Knochen, Knorpel, Muskeln, Sehnen, Fettgewebe oder Blutgefäßen. im Stadium III oder IV, Melanom14Ein Melanom ist eine Form von Hautkrebs, die in den Melanozyten entsteht, den Zellen, die für die Produktion des Hautpigments Melanin verantwortlich sind. Melanome können sich aus bestehenden Muttermalen entwickeln oder auf zuvor normaler Haut auftreten. Sie gelten als die gefährlichste Art von Hautkrebs, da sie schnell wachsen und frühzeitig in andere Organe streuen können. im Stadium IV, Kopf-/Halskrebs im Stadium III oder IV, endokrine Tumoren im Stadium IV oder hämatologische maligne Neoplasien (Lymphome, Myelome und Leukämien).

Die Patient*innen waren nur teilnahmeberechtigt, wenn ein*e Ärzt*in ihnen eine Lebenserwartung von 6 oder mehr Monaten prognostizierte. Außerdem mussten sie über Schmerzen des Bewegungsapparats, definiert als regional (z. B. bestimmte Gelenke) oder generalisiert (d. h. Fibromyalgie), als primäre Schmerzquelle berichten. Die Schmerzen mussten seit mindestens einem Monat und an mindestens 15 der letzten 30 Tage bestehen. Die Patient*innen mussten außerdem ihre schlimmste Schmerzintensität auf einer numerischen Bewertungsskala von 0 bis 10 mit 4 oder höher bewertet haben.

Patient*innen mit einer Thrombozytenzahl von weniger als 150 × 103/μL wurden ausgeschlossen.

Behandlungen

Die Behandlungen wurden von lizenzierten und in der Onkologie erfahrenen Akupunkteur*innen und Massagetherapeut*innen durchgeführt.15Wenn Behandlungen aus medizinischen Gründen geändert werden mussten, wurden die Therapeut*innen angewiesen, die Einzelheiten der Änderungen mit einer entsprechenden Begründung zu dokumentieren.

Die Akupunkteur*innen setzten 10 bis 20 Nadeln an mindestens 4 lokalen Punkten im Bereich des Körpers mit den meisten Schmerzen sowie an zusätzlichen Punkten an anderen Stellen, je nach Vorhandensein komorbider Symptome. Die Akupunkturnadeln wurden je nach Körpertyp und Punktlage in angemessener Tiefe eingeführt und entsprechend manipuliert, um das sogenannte de qi zu erreichen16In der Akupunktur bezeichnet De Qi (wörtlich: "Eintreffen des Qi") das Auftreten spezifischer Empfindungen während des Nadelns, die sowohl vom*von der Patientin als auch vom*von der Akupunkteurin wahrgenommen werden. Das Erreichen des De Qi-Zustands gilt als wesentlich für die Wirksamkeit der Akupunkturbehandlung.. Die Nadeln an den 4 lokalen Schmerzpunkten wurden mit einer transkutanen elektrischen Nervenstimulationseinheit mit 2 Hz elektrisch stimuliert.17Die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) ist eine Methode zur Schmerzlinderung, bei der elektrische Impulse über die Haut an Nervenfasern übertragen werden. Die Frequenz dieser Impulse kann variieren und beeinflusst die Art der Schmerzlinderung. Eine niedrige Frequenz von 2 Hz zielt darauf ab, bestimmte Nervenfasern zu stimulieren, um körpereigene schmerzlindernde Substanzen wie Endorphine freizusetzen. Bei Teilnehmer*innen mit elektrisch/elektronisch betriebenen medizinischen Geräten, z.B. Herzschrittmacher oder Insulinpumpen, wurde keine elektrische Stimulation verwendet. Die Gesamtbehandlungszeit betrug 30 Minuten pro Sitzung, wobei die Nadeln 20 Minuten lang an Ort und Stelle blieben.

Die Massagetherapeut*innen begannen mit einem 5-minütigen Protokoll, das eine geführte Zwerchfellatmung, Rippenmobilisationen und eine okzipitale Entspannung zur Erhöhung des parasympathischen Tonus beinhaltete. Je nach primärem Schmerzbereich konzentrierte sich der*die Therapeut*in dann 20 Minuten lang auf die Massage dieses spezifischen Körperbereichs, gefolgt von einer Effleurage in Richtung Herz. Die Massagetechniken wurden mit leichtem bis mittlerem Druck angewendet und umfassten Kompression, Muskel-Stripping, aktive/passive Bewegungsausführung, postisometrische Dehnung, Effleurage, myofasziale Entspannung, Positionsentspannung und Triggerpunkt-Entspannung bei einer Gesamtbehandlungszeit von 30 Minuten18Die Autor*innen verweisen auf MacDonald  G.  Medicine Hands: Massage Therapy for People With Cancer. Simon & Schuster; 2014, und Walton  T.  Medical Conditions and Massage Therapy: A Decision Tree Approach. Lippincott Williams & Wilkins; 2010.

Bewertungen/Messungen

Das primäre Ergebnis war die schlimmste Schmerzstärke in der vergangenen Woche mit Antwortmöglichkeiten von 0 (keine Schmerzen) bis 10 (Schmerzen so schlimm wie nur vorstellbar), gemessen mit der Kurzform des Brief Pain Inventory (BPI).19Der Brief Pain Inventory (BPI) ist ein Maß für Schmerzen, das 4 Punkte zur Schmerzstärke und 7 Punkte zur Schmerzbeeinträchtigung enthält, die auf einer Skala von 0 bis 10 bewertet werden, wobei höhere Zahlen eine stärkere Schmerzintensität oder -beeinträchtigung anzeigen. Als individueller klinischer Reaktions-Benchmark für den schlimmsten Schmerz beim BPI wurde eine Verbesserung um 30 % gegenüber dem Ausgangswert festgelegt.

Zur Beurteilung komorbider Symptome und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität wurde das „Brief Fatigue Inventory“20Mendoza  TR, Wang  XS, Cleeland  CS,  et al.:  The rapid assessment of fatigue severity in cancer patients: use of the Brief Fatigue Inventory.   Cancer. 1999;85(5):1186-1196. doi:10.1002/(SICI)1097-0142(19990301)85:5<1186::AID-CNCR24>3.0.CO;2-N., der „Insomnia Severity Index“21Savard  MH, Savard  J, Simard  S, Ivers  H:  Empirical validation of the Insomnia Severity Index in cancer patients.   Psychooncology. 2005;14(6):429-441. doi:10.1002/pon.860. und die „Patient-Reported Outcomes Measurement Information System Skala“22Hays  RD, Bjorner  JB, Revicki  DA, Spritzer  KL, Cella  D:  Development of physical and mental health summary scores from the Patient-Reported Outcomes Measurement Information System (PROMIS) global items.   Qual Life Res. 2009;18(7):873-880. doi:10.1007/s11136-009-9496-9. verwendet.

Die Einnahme von Schmerzmitteln (z. B. Paracetamol, nichtsteroidale Antirheumatika, Opioide und Hilfsmittel bei neuropathischen Schmerzen) wurde mithilfe wöchentlicher Schmerzmedikationstagebücher erfasst, unerwünschte Ereignisse mit den Common Terminology Criteria for Adverse Events23US Department of Health and Human Services: Common Terminology Criteria for Adverse Events (CTCAE). Version 5.0. November 27, 2017. Accessed October 11, 2023..

Patient*innen bezogene Ergebnisse

Insgesamt wurden 828 Patienten untersucht, von denen 528 aufgrund von Nichtteilnahmeberechtigung oder mangelnder Teilnahmebereitschaft ausgeschlossen wurden, 2 weitere, weil sie keine Basisdaten lieferten, womit 298 Patient*innen letztlich in der Studie verblieben.

Von den 150 der Akupunktur zugewiesenen Personen erhielten 139 (92,7 %) mindestens eine Behandlung und 92 (61,3 %) schlossen mit 10 oder mehr Behandlungen ab. Von den 148 der Massage zugewiesenen Teilnehmer*innen erhielten 139 (93,9 %) mindestens eine Behandlung und 99 (66,9 %) schlossen mit 10 oder mehr Behandlungen ab. Von allen Teilnehmern schieden 56 (18,8 %) zum Endpunkt in Woche 26 aus der Datenerhebung aus.

Die demografischen und klinischen Merkmale der Patient*innen in den beiden Gruppen waren zu Studienbeginn ähnlich.

  • Das Durchschnittsalter betrug 58,7 Jahre, 200 (67,1 %) waren Frauen und 98 (32,9 %) Männer. 19 Personen (6,4 %) waren Asiat*innen, 33 (11,1 %) waren Menschen mit dunkler Hautfarbe ("Schwarze"), 46 (15,4 %) waren Hispanoamerikaner, 220 (74,1 %) waren Weiße und 25 (8,4 %) waren gemischtrassig.
  • Insgesamt 78,5 % der Patient*innen hatten solide Tumore. Die häufigsten Krebsarten waren hämatologische (21,5 %), Brust- (19,8 %), gynäkologische (14,4 %) und gastrointestinale (11,7 %) Tumore. Die mittlere Zeit seit der Diagnose betrug 5,6 Jahre. Der mittlere Wert für die schlimmste Schmerzstärke betrug 6,9, die mittlere Schmerzdauer betrug 3,8 Jahre und 98 Personen (32,9 %) erhielten zu Studienbeginn Opioide.

Ergebnisse

Von der Baseline bis zur 26. Woche reduzierten Akupunktur (mittlere Veränderung: -2,53) und Massage (mittlere Veränderung: -3,01) den BPI-(Brief Pain Inventory-)Wert für die schlimmsten Schmerzen. Der Unterschied zwischen den Gruppen war nicht signifikant. Mehr als die Hälfte der Patient*innen sprachen bis Woche 26 klinisch auf die Behandlung an.

Sowohl Akupunktur als auch Massage verbesserten schmerzbedingte Funktionsstörungen, Müdigkeit, Schlaflosigkeit und die körperliche Lebensqualität in Woche 26 im Vergleich zum Ausgangswert.

Der Anteil der Patient*innen, die zu Studienbeginn Schmerzmittel einnahmen, betrug 54,7 %, in Woche 26 sank der Anteil auf 27,5 % in der Akupunkturgruppe und auf 35,6 % in der Massagegruppe.

Unerwünschte Ereignisse

Die unerwünschten Ereignisse waren meist leicht. In der Akupunkturgruppe waren Blutergüsse (6,5 %), lokale Schmerzen (5,8 %) und Blutungen (1,4 %) die am häufigsten berichteten unerwünschten Ereignisse. Bei den Patient*innen, die Massagen erhielten, waren vorübergehende Schmerzen (15,1 %) und Kopfschmerzen (1,4 %) die am häufigsten berichteten unerwünschten Ereignisse.

Diskussion der Ergebnisse

Akupunktur und Massage bewiesen über einen Zeitraum von 26 Wochen ihre Wirksamkeit in der Behandlung von Krebsschmerzen durch eine Schmerzreduktion und eine Verbesserung von Müdigkeit, Schlaflosigkeit und Lebensqualität. Es gab keine signifikanten Unterschiede bei Schmerzen oder sekundären Wirkungen zwischen den beiden Anwendungen und mehr als die Hälfte der Teilnehmer*innen sprach klinisch signifikant auf die Behandlungen an - Ergebnisse, die (so die Autor*innen) zu den aktuellen Leitlinien für die Schmerzbehandlung bei Krebspatient*innen beitragen sollten, da sie die langfristige Wirksamkeit von zwei nicht-pharmakologischen Therapien bei Patient*innen mit fortgeschrittenem Krebs belegen.

Die in dieser Studie beobachteten dauerhaften Effekte der Akupunktur stimmen mit den Ergebnissen anderer großer randomisierter klinischer Studien zur Akupunktur bei Schmerzen in der Allgemeinbevölkerung24Die Autor*innen verweisen auf Vickers  AJ, Vertosick  EA, Lewith  G,  et al: Acupuncture Trialists’ Collaboration.  Acupuncture for chronic pain: update of an individual patient data meta-analysis.   J Pain. 2018;19(5):455-474. doi:10.1016/j.jpain.2017.11.005 und MacPherson  H, Vertosick  EA, Foster  NE,  et al: Acupuncture Trialists’ Collaboration.  The persistence of the effects of acupuncture after a course of treatment: a meta-analysis of patients with chronic pain.   Pain. 2017;158(5):784-793. doi:10.1097/j.pain.0000000000000747 . und bei Krebsüberlebenden mit chronischen Schmerzen überein.25Die Autor*innen verweisen auf Hershman  DL, Unger  JM, Greenlee  H,  et al.:  Effect of acupuncture vs sham acupuncture or waitlist control on joint pain related to aromatase inhibitors among women with early-stage breast cancer: a randomized clinical trial.   JAMA. 2018;320(2):167-176. doi:10.1001/jama.2018.8907 und Mao  JJ, Liou  KT, Baser  RE,  et al.:  Effectiveness of electroacupuncture or auricular acupuncture vs usual care for chronic musculoskeletal pain among cancer survivors: the PEACE randomized clinical trial.   JAMA Oncol. 2021;7(5):720-727. doi:10.1001/jamaoncol.2021.0310. In Übereinstimmung mit früheren Untersuchungen zu Schmerzen bei Krebspatient*innen26Mao  JJ, Farrar  JT, Bruner  D,  et al.:  Electroacupuncture for fatigue, sleep, and psychological distress in breast cancer patients with aromatase inhibitor-related arthralgia: a randomized trial.   Cancer. 2014;120(23):3744-3751. doi:10.1002/cncr.28917. reduzierte die Akupunktur auch Müdigkeit und Schlaflosigkeit, was ihre Fähigkeit unterstreicht, mehrere, gleichzeitig auftretende Symptome bei einer Krebspopulation mit hoher Symptombelastung gemeinsam zu behandeln.

Frühere Studien zur onkologischen Massage haben kurzfristige Vorteile für Schmerzen, Stimmung und Lebensqualität27Die Autor*innen verweisen auf Groninger  H, Nemati  D, Cates  C,  et al.:  Massage therapy for hospitalized patients receiving palliative care: a randomized clinical trial.   J Pain Symptom Manage. 2023;65(5):428-441. doi:10.1016/j.jpainsymman.2023.01.011. bei Krebspatient*innen in Hospizpflege gezeigt, aber die Verbesserungen erwiesen sich nicht von Dauer. Die vorliegende Studie allerdings zeigt, dass Massagen sowohl kurz- als auch langfristig mit einer Schmerzlinderung verbunden sind. Allerdings umfassten die Interventionen der Studie auch Auffrischungsbehandlungen, d.h. monatliche Sitzungen für 4 Monate nach den wöchentlichen Sitzungen für 10 Wochen, um den anfänglichen Behandlungseffekt zu festigen. Eine weitere mögliche Erklärung für diese Unterschiede kann auch darin liegen, dass in der vorliegenden Studie diverse Patient*innen mit fortgeschrittenem Krebs eingeschlossen waren, nicht nur Patient*innen, die sich dem Lebensende näherten.

Desweiteren zeigt sich ein möglicher kleiner Vorteil von Massagen gegenüber Akupunktur, der allerdings nicht signifikant ist. Der fehlende Unterschied zwischen Massagen und Akupunktur in Woche 26 bestätigte, dass eine Massagetherapie mit Auffrischungsbehandlungen wahrscheinlich zu einer anhaltenden Schmerzreduktion führt. 28Die Autor*innen verweisen auf Mao  JJ, Liou  KT, Baser  RE,  et al.:  Effectiveness of electroacupuncture or auricular acupuncture vs usual care for chronic musculoskeletal pain among cancer survivors: the PEACE randomized clinical trial. JAMA Oncol. 2021;7(5):720-727. doi:10.1001/jamaoncol.2021.0310 und Hershman  DL, Unger  JM, Greenlee  H,  et al.:  Comparison of acupuncture vs sham acupuncture or waiting list control in the treatment of aromatase inhibitor–related joint pain: a randomized clinical trial. JAMA Netw Open. 2022;5(11):e2241720. doi:10.1001/jamanetworkopen.2022.41720.

Bei Patient*innen mit fortgeschrittenem Krebs ist die Pharmakotherapie oft die Hauptstütze der Schmerzbehandlung, allerdings ist die Polypharmazie in bei diesen Menschen aufgrund von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen zwischen Medikamenten ein wachsendes Problem.29Die Autor*innen verweisen auf LeBlanc  TW, McNeil  MJ, Kamal  AH, Currow  DC, Abernethy  AP.: Polypharmacy in patients with advanced cancer and the role of medication discontinuation.   Lancet Oncol. 2015;16(7):e333-e341. doi:10.1016/S1470-2045(15)00080-7 und Ramsdale  E, Mohamed  M, Yu  V,  et al.:  Polypharmacy, potentially inappropriate medications, and drug-drug interactions in vulnerable older adults with advanced cancer initiating cancer treatment.   Oncologist. 2022;27(7):e580-e588. doi:10.1093/oncolo/oyac053. In diesem Kontext unterstreicht die vorliegende Studie den vielfältigen Nutzen von integrativen Methoden für diese Menschen, da sich zeigt, dass Akupunktur und Massage nicht nur die Schmerzen, sondern auch die komorbiden Symptome von Müdigkeit und Schlaflosigkeit verbessern, was den vielfältigen Nutzen unterstreicht, den integrative Methoden hier bieten können.

In der Studie wurden einigen Patient*innen zusätzlich zur Pharmakotherapie auch nicht-pharmakologische Behandlungen angeboten, was die klinische Situation widerspiegelt. Daher sollten die Daten, wie die Autor*innen betonen, nicht dahingehend interpretiert werden, dass Medikamente durch Akupunktur oder Massagen ersetzt werden sollten, sondern dass diese nicht-pharmakologischen Interventionen die Schmerz- und Symptomkontrolle verbessern und gleichzeitig den Medikamentenverbrauch potenziell senken können.

Einschränkungen

  • Die Studie war als pragmatische vergleichende Wirksamkeitsstudie mit zwei aktiven Interventionen konzipiert, so dass keine Kontrollgruppen für Schein- oder Standardbehandlungen etabliert wurden. Und obwohl sich in früheren Studien gezeigt hat, dass beide Therapien Schein- und Standardbehandlungen überlegen sind, schränkt das Fehlen einer Kontrollgruppe die Interpretation ein, denn es bleibt unklar, inwieweit die Schmerzreduktion gegenüber dem Ausgangswert auf die Intervention zurückzuführen ist und wie viel auf einen Placebo-Effekt.
  • Patient*innen und Ärzt*innen konnten aufgrund der Art der Interventionen nicht verblindet werden, nur der leitende Prüfarzt und die Statistiker*innen waren verblindet.
  • Die Massagetherapeut*innen haten während der Therapie mehr Kontaktzeit mit den Patient*innen, aber die Behandlungsdauer von 30 Minuten war in beiden Behandlungsgruppen identisch.
  • Es ist möglich, dass ein Teil der Schmerzlinderung auf die Anpassung von Schmerzmitteln und/oder das Ansprechen des Tumors auf die Krebstherapie zurückzuführen ist, allerdings hatte die Berücksichtigung des Medikamenteneinsatzes in Sensitivitätsanalysen keinen Einfluss auf die Ergebnisse und Schlussfolgerungen.
  • Zwar wurden Daten (Fortschrittsberichte der Ärzt*innen, Berichte über Staging-Scans) zum Tumorstatus (Progression, Regression, Stabilität) in Längsschnittstudien erhoben, aber es wurde keine unabhängige Überprüfung der Einhaltung von Krebstherapien durchgeführt oder Kriterien zur Bewertung des radiologischen Ansprechens bei soliden Tumoren angewendet.
  • Die Behandlung wurde bei einigen Patient*innen durch COVID-19 unterbrochen, in zusätzlichen Sensitivitätsanalysen änderte die Kontrolle der COVID-19-bedingten Behandlungsunterbrechung jedoch nichts an den Ergebnissen.
  • Die Therapeut*innen wurden einer strengen Schulung in Bezug auf Sicherheit und Durchführung von Interventionen und einer konsequenten Überwachung der Genauigkeit unterzogen, weshalb die Ergebnisse möglicherweise nicht auf Gemeinschaftseinrichtungen übertragbar sind, in denen es eine größere Variabilität bei der klinischen Versorgung gibt.

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Anmerkungen/Fußnoten