Die Auswirkungen von Stressbelastung auf Faszien – angepasste Behandlungstechniken (Andreas Haas)

Faszie
2. Fluidale Bestandteile

Die interstitelle Flüssigkeit macht bei Faszien einen Volumenanteil von 60 bis 80% aus. Sie beinhaltet Hyaluoransäure, die die Eigenschaft hat, Wasser zu binden. Bei verminderter Bewegung kommt es zur Fragmentierung der Hyaluoransäure HA, es bilden sich pathologische Aggregationen von Hyaluron-Ketten. Diese erhöhen die Viskosität und vermindern die Gleitfähigkeit. Die Folge davon sind Adhäsionen, „Verklebungen“ von Faszienschichten. Einen positiven Einfluss auf die Restrukturierung der Hyaluoransäure haben Wärme und Bewegung.

Neben Wärme und Bewegung spielt der pH-Wert eine wichtige Rolle für die Viskosität der Flüssigkeit. Ein niedriger pH-Wert macht Hyaluransäure visköser und klebriger. Die Regulation des Säure-Basen-Haushaltes erfolgt zu 80% über die Atmung. Der Normalwert im Blut und Interstitium liegt bei rund 7,4. Bei Belastungen sinkt der Wert auf 6,6. Diese Reduktion des pH-Wertes erhöht die Viskosität um 20%.

Eine durch Stressbelastung dauerhaft veränderte Atmung führt zu einer mangelnden CO2-Abatmung und damit zu einem Absinken des pH-Wertes im Gewebe. Dies hat Adhäsionen und Verklebungen von Faszien zur Folge. Bleiben diese Adhäsionen über längere Zeiträume von mehreren Monaten bestehen, kommt es zusätzlich zu Verwachsungen, durch die Faszienschichten unbeweglich werden und ihre Gleitfähigkeit verlieren.

Vegetative Innervation von Faszien

Innervation der Faszien

Faszien zeigen im Allgemeinen eine hohe vegetative Innervation. Besonders hoch ist diese bei den Faszien der inneren Organe (Fascia visceralis) und den Faszien der Haut (Fascia superficialis).

Auswirkung von Sympathikotonie auf Organfunktionen:

  • Stress und Organfunktion korrelieren unmittelbar
  • Keine lokale Wahrnehmung sondern generalisiertes Unwohlsein
  • Stress ändert Organfunktion – veränderte Organfunktion löst Stress aus
  • Stress hat Einfluss auf viszerale Faszien – viszerale Faszien sind Grundlage der gesunden Organfunktion

Auswirkung von Sympathikotonie auf die Haut:

  • Stress und Haut korrelieren unmittelbar
  • Keine lokale Wahrnehmung sondern generalisierte (systemische) Änderungen
  • Sowohl Stress als auch Organfunktion bildet sich an der Körperoberfläche ab
  • Haut ist unser wichtigstes Organ für Stressregulation und viszerale Regulation

Insbesondere die Haut am Rücken hat eine hohe vegetative Innervation. Die Rami posteriores führen zu 80% vegetative Fasern.

Die Haut und Fascia superficialis am Rücken sind:

  • der Raum für Somatisierung des Vegetativums (körperlich bewusste Wahrnehmung von Emotion)
  • unser größtes Organ für vegetative Wahrnehmung (die Angst „sitzt im Nacken“)
  • Vegetative Projektionsfläche der Viszera

Therapiemaßnahmen zur Unterstützung des Organismus bei Stressbelastungen

Zur Regulierung des Vegetativums werden systemische Anwendungen angewandt mit folgender Zielsetzung:

  1. Tonisierung des cranialen Vagus
  2. Regulation des Sympathikus
  3. Therapie der Viszera
1. Tonisierung des cranialen Vagus
Behandlung

Gemäß der Polyvagal-Theorie von Stephen Porges hat der Vagus als oberstes Regulativ hat die Kompetenz, die anderen Anteile des Vegetativen Nervensystems zu kontrollieren und zu koordinieren. Den Einfluss auf den Sympathikus nennen wir die sogenannte „Vagus-Bremse“.

Der Sympathikus ist jederzeit bereit zur Aktivität; der ventrale Vagus bremst den Sympathikus und reduziert seine Aktivität. Sobald der Vagus die Bremse löst, wird der Sympathikus aktiviert und mobilisiert seinerseits den Organismus.

Die manuelle Unterstützung zur Stärkung des cranialen Vagus erfolgt mit weichen, ruhigen, regulierenden Massagen der vom Vagus innervierten Gesichts- und Kopfregionen. Dies umfasst die Behandlung der Gesichtshaut, der mimischen Muskulatur, des Kauapparates und der Drüsen am Kopf (Speicheldrüsen, Tränendrüse).

2. Regulation des Sympathikus

Die Regulation erfolgt mit Hilfe spannungsregulierender Griffen, die an der Haut und Fascia superficialis angewandt werden. Regionaler Schwerpunkt ist die Fascia superficialis am Rücken. Hierbei werden Spannungsänderungen aufgesucht, überspannte Regionen reguliert und unterspannte Regionen tonisiert.

3. Viszerale Therapie

Einen guten regulierenden Einfluss auf das vegetative Nervensystem haben stimulierende Behandlungen des Bauchorgane. Diese können mittels Darmmassagen und tiefer Bauch-Lymphdrainage durchgeführt werden. Mit viszeralen Faszientechniken können gezielte Anwendungen bei Adhäsionen und Verwachsungen durchgeführt werden, die systemisch eine regulierende Wirkung auf den Parasympathikus haben.

Abschließend kann festgehalten werden, dass eine Stimulierung des cranialen Vagus überschießende Sympathikus-Reaktionen bremst und Stressreaktionen mindert. Unterstützt kann dies durch eine Vermittlung von Sicherheit und Geborgenheit, die die manuelle Therapie begleitet.

Fotos: Andreas Haas (Copyright Manus Fascia Center, Universität Leipzig)

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