Am Abend haben sportliche Aktivitäten die stärkste positive Wirkung auf Herz und Kreislauf

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Eine 2024 veröffentlichte Studie von Sabag et al.1Sabag A, Ahmadi MN, Francois ME, Postnova S, Cistulli PA, Fontana L, Stamatakis E.: Timing of Moderate to Vigorous Physical Activity, Mortality, Cardiovascular Disease, and Microvascular Disease in Adults With Obesity. Diabetes Care. 2024 May 1;47(5):890-897. doi:10.2337/dc23-2448. untersucht den Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt aerober mäßiger bis starker körperlicher Aktivität (MVPA) und dem Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, mikrovaskulären Erkrankungen und der Gesamtmortalität bei Erwachsenen mit Adipositas und einer Untergruppe mit Adipositas und Typ-2-Diabetes. Dabei zeigt sich, dass nicht nur das Gesamtvolumen der körperlichen Aktivität von Bedeutung ist, sondern auch der Zeitpunkt, wobei sich vor allem körperliche Aktivität am Abend günstig auf das Sterblichkeitsrisiko auswirkt.

Hintergrund

Adipositas2Adipositas ist definiert als übermäßige Vermehrung des Fettgewebes im Körper. In Abgrenzung zum Übergewicht spricht man von einer Adipositas ab einem Body Mass Index (BMI) von 30. ist ein signifikanter und unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung von Typ-2-Diabetes3Der Typ 2-Diabetes beruht in erster Linie auf einem verminderten Ansprechen der Körperzellen auf Insulin und, in zweiter Linie, auf einer Funktionseinschränkung der Betazellen der Langerhans’schen Inseln in der Bauchspeicheldrüse, die Insulin produzieren und speichern., Herz-Kreislauf-Erkrankungen, mikrovaskulären Erkrankungen4Bei „mikrovaskulären“ Begleit- und Folgeerkrankungen kommt es zu Durchblutungsstörungen der kleinen arteriellen Blutgefäße. Dies führt z.B. zu Augenschäden vor allem an der Netzhaut (diabetische Retinopathie), Nierenschädigung (diabetische Nephropathie), Schädigung der Nerven (diabetische Neuropathie) oder zum diabetischen Fußsyndrom (und infolge dessen Amputationen von Zehen, Fuß oder Bein). und für vorzeitige Sterblichkeit. Diese Zusammenhänge werden zum Teil durch ein Ungleichgewicht der Adipokine5Adipokine sind eine heterogene Gruppe von Verbindungen, die viele verschiedene Prozesse beeinflussen., wie z.B. den Lipid- und Glukosestoffwechsel, Hunger- und Sättigungsgefühl und Entzündungsprozesse. Grundsätzlich geht man davon aus, dass sie an der Entstehung verschiedener Erkrankungen, die mit Übergewicht assoziert sind, beteiligt sind. wie z.B. Insulinresistenz, metabolisches Syndrom, Arteriosklerose und Bluthochdruck., chronische Entzündungen, Insulinresistenz6Unter Insulinresistenz versteht man eine verminderte oder aufgehobene Wirkung des Peptidhormons Insulin in den peripheren Geweben, die durch Adipositas verstärkt wird. und eine daraus resultierende gestörte Glukosetoleranz7Glukosetoleranz bezeichnet die physiologische Reaktion des Körpers nach der Aufnahme von Kohlenhydraten, wobei die Serumkonzentrationen von Glukose und Insulin im Vergleich zur Nüchternkonzentration vorübergehend und geringfügig ansteigen. Ist dieser Anstieg pathologisch erhöht, spricht man von einer gestörten Glukosetoleranz. begünstigt.

Mäßige bis starke körperliche, insbesondere aerobe Aktivität8Die Energiegewinnung erfolgt unter Einbindung von Sauerstoff. wird nach wie vor als therapeutische Strategie zur Verbesserung der kardiometabolischen Risikofaktoren angenommen, früher allerdings dacht man, dass jede Art von intensiver körperlicher Betätigung – unabhängig von der Länge der Trainingseinheiten – eine aerobe Aktivität ist. Das aber, so neuere Erkenntnisse, gilt nicht für sehr kurze intensive körperliche Aktivitäten, da die Skelettmuskulatur in den ersten drei Minuten einer intensiven sportlichen Betätigung vor allem anerobe Energieströme nutzt, um den plötzlichen Energiebedarf zu decken. Erst danach dominert der aerobe Stoffwechsel.9Die Autor*innen verweisen auf Hargreaves M, Spriet LL.: Skeletal muscle energy metabolism during exercise. Nat Metab 2020;2:817–828. Darüber hinaus deuten neue Forschungsergebnisse aus 2023 darauf hin, dass mehrmalige aerobe MVPA-Aktivitäten10MVPA bezeichnet die moderate bis intensive körperliche Aktivität (moderate-to-vigorous physical activity), vgl. WHO (2010): Global Recommendations on Physical Activity for Health. https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/44399/9789?sequence=1. mit einem geringeren kardiovaskulären Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko verbunden sind als die Häufung kürzerer nicht aerober Aktivitäten.11Die Autor*innen verweisen auf Ahmadi MN, Hamer M, Gill JMR, et al.: Brief bouts of device-measured intermittent lifestyle physical activity and its association with major adverse cardiovascular events and mortality in people who do not exercise: a prospective cohort study. Lancet Public Health 2023;8:e800–e810.

Studien zeigen, dass Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2 mit einer Verschiebung des Tagesrhythmus und gestörten Stoffwechseelprozessen12Die Autor*innen verweisen auf Chambers L, Seidler K, Barrow M.: Circadian misalignment in obesity: the role for time-restricted feeding. Clin Nutr ESPEN 2023;57:430–447., insbesondere in den Abendstunden13Die Autor*innen verweisen auf Mason IC, Qian J, Adler GK, Scheer FAJL.: Impact of circadian disruption on glucose metabolism: implications for type 2 diabetes. Diabetologia 2020;63:462–472., in Verbindung gebracht werden. Dazu kommt, dass die Modulation des Zeitpunkts der mäßigen bis starken körperlichen Aktivität (MVPA) die tageszeitlichen Schwankungen der Glukosetoleranz und der Insulinsensitivität ausgleichen14Die Autor*innen verweisen auf Heden TD, Kanaley JA.: Syncing exercise with meals and circadian clocks. Exerc Sport Sci Rev 2019;47:22–28., was möglicherweise zu dauerhaften Verbesserungen der kardiovaskulären Morbidität führt.

Aktuelle Studien haben zudem gezeigt, dass aerobes Training am späten Nachmittag oder am Abend zu stärkeren Verbesserungen der Glukosekontrolle führt als aerobes Training am Morgen.15Die Autor*innen verweisen auf Galan-Lopez P, Casuso RA.: Metabolic adaptations to morning versus afternoon training: a systematic review and meta-analysis. Sports Med 2023;53:1951–1961; Kim HK, Furuhashi S, Takahashi M, et al.: Late-afternoon endurance exercise is more effective than morning endurance exercise at improving 24-h glucose and blood lipid levels. Front Endocrinol (Lausanne) 2022;13:957239; und Moholdt T, Parr EB, Devlin BL, Debik J, Giskeødegård G, Hawley JA.: The effect of morning vs evening exercise training on glycaemic control and serum metabolites in overweight/obese men: a randomised trial. Diabetologia 2021;64:2061–2076. Es ist jedoch unklar, ob der Zeitpunkt aerober MVPA mit längerfristigen Ergebnissen wie Morbidität und Mortalität bei Personen mit ausgeprägten tageszeitlichen Schwankungen der Glukoseintoleranz zusammenhängt. Aus diesem Grund zielte diese Studie darauf ab, den Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der Trainingseinheiten (MVPA), der Mortalität und der Inzidenz16Unter Inzidenz versteht man die Anzahl neu aufgetretener Krankheitsfälle innerhalb einer definierten Population in einem oder bezogen auf einen bestimmten Zeitraum. von kardiovaskulären (CVD) und mikrovaskulären Erkrankungen (MVD) bei Erwachsenen mit Adipositas und einer Untergruppe, bei der auch Diabetes Typ 2 diagnostiziert wurde, zu bestimmen.

Teilnehmer*innen

Teilnehmer*innen waren Erwachsene mit Adipositas (BMI ≥30) und eine Untergruppe von übergewichtigen Personen mit Diabetes Typ 2 aus der UK Biobank-Studie, die zwischen 2006 und 1010 aufgenommen worden waren.17UK Biobank Study: Vgl. Naomi Allen, Cathie Sudlow, Paul Downey, Tim Peakman, John Danesh, Paul Elliott, John Gallacher, Jane Green, Paul Matthews, Jill Pell, Tim Sprosen, Rory Collins: UK Biobank: Current status and what it means for epidemiology, Health Policy and Technology, Volume 1, Issue 3, 2012, Pages 123-126, https://doi.org/10.1016/j.hlpt.2012.07.003. Als aerobe mäßige bis starke körperliche Aktivitäten (MVPA) wurden Einheiten von mäßiger bis starker körperlicher Aktivität (MVPA) gezählt, die zumindest drei Minuten ununterbrochen dauerten.

Die Teilnehmer*innen wurden in Morgen-, Nachmittags- oder Abend-MVPAs eingeteilt, je nachdem, wann sie den Großteil ihrer aeroben MVPAs unternahmen. Die Referenzgruppe umfasste Teilnehmer mit durchschnittlich weniger als einer aeroben körperlichen Aktivität pro Tag.

Die Teilnehmer*innen wurden von geschultem Personal körperlich untersucht und füllten zudem Fragebögen aus.

  • Einschlusskriterien: Personen mit Adipositas (BMI ≥30), einschließlich Personen mit Diabetes Typ 2.
  • Ausschlusskriterien: Personen mit fehlenden Kovariatendaten oder solche, bei denen ein Ereignis innerhalb der ersten 24 Monate der Nachbeobachtung auftrat.

Bei Analysen, die kardiovaskuläre (CVD) und mikrovaskuläre Erkrankungen (MVD) als Endpunkte berücksichtigten, wurden Teilnehmer*innen mit CVD (ermittelt durch Selbstauskunft und Krankenhauseinweisungen) oder MVD (ermittelt durch Krankenhauseinweisungen) ausgeschlossen.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Sabag A, Ahmadi MN, Francois ME, Postnova S, Cistulli PA, Fontana L, Stamatakis E.: Timing of Moderate to Vigorous Physical Activity, Mortality, Cardiovascular Disease, and Microvascular Disease in Adults With Obesity. Diabetes Care. 2024 May 1;47(5):890-897. doi:10.2337/dc23-2448.
  • 2
    Adipositas ist definiert als übermäßige Vermehrung des Fettgewebes im Körper. In Abgrenzung zum Übergewicht spricht man von einer Adipositas ab einem Body Mass Index (BMI) von 30.
  • 3
    Der Typ 2-Diabetes beruht in erster Linie auf einem verminderten Ansprechen der Körperzellen auf Insulin und, in zweiter Linie, auf einer Funktionseinschränkung der Betazellen der Langerhans’schen Inseln in der Bauchspeicheldrüse, die Insulin produzieren und speichern.
  • 4
    Bei „mikrovaskulären“ Begleit- und Folgeerkrankungen kommt es zu Durchblutungsstörungen der kleinen arteriellen Blutgefäße. Dies führt z.B. zu Augenschäden vor allem an der Netzhaut (diabetische Retinopathie), Nierenschädigung (diabetische Nephropathie), Schädigung der Nerven (diabetische Neuropathie) oder zum diabetischen Fußsyndrom (und infolge dessen Amputationen von Zehen, Fuß oder Bein).
  • 5
    Adipokine sind eine heterogene Gruppe von Verbindungen, die viele verschiedene Prozesse beeinflussen., wie z.B. den Lipid- und Glukosestoffwechsel, Hunger- und Sättigungsgefühl und Entzündungsprozesse. Grundsätzlich geht man davon aus, dass sie an der Entstehung verschiedener Erkrankungen, die mit Übergewicht assoziert sind, beteiligt sind. wie z.B. Insulinresistenz, metabolisches Syndrom, Arteriosklerose und Bluthochdruck.
  • 6
    Unter Insulinresistenz versteht man eine verminderte oder aufgehobene Wirkung des Peptidhormons Insulin in den peripheren Geweben, die durch Adipositas verstärkt wird.
  • 7
    Glukosetoleranz bezeichnet die physiologische Reaktion des Körpers nach der Aufnahme von Kohlenhydraten, wobei die Serumkonzentrationen von Glukose und Insulin im Vergleich zur Nüchternkonzentration vorübergehend und geringfügig ansteigen. Ist dieser Anstieg pathologisch erhöht, spricht man von einer gestörten Glukosetoleranz.
  • 8
    Die Energiegewinnung erfolgt unter Einbindung von Sauerstoff.
  • 9
    Die Autor*innen verweisen auf Hargreaves M, Spriet LL.: Skeletal muscle energy metabolism during exercise. Nat Metab 2020;2:817–828.
  • 10
    MVPA bezeichnet die moderate bis intensive körperliche Aktivität (moderate-to-vigorous physical activity), vgl. WHO (2010): Global Recommendations on Physical Activity for Health. https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/44399/9789?sequence=1.
  • 11
    Die Autor*innen verweisen auf Ahmadi MN, Hamer M, Gill JMR, et al.: Brief bouts of device-measured intermittent lifestyle physical activity and its association with major adverse cardiovascular events and mortality in people who do not exercise: a prospective cohort study. Lancet Public Health 2023;8:e800–e810.
  • 12
    Die Autor*innen verweisen auf Chambers L, Seidler K, Barrow M.: Circadian misalignment in obesity: the role for time-restricted feeding. Clin Nutr ESPEN 2023;57:430–447.
  • 13
    Die Autor*innen verweisen auf Mason IC, Qian J, Adler GK, Scheer FAJL.: Impact of circadian disruption on glucose metabolism: implications for type 2 diabetes. Diabetologia 2020;63:462–472.
  • 14
    Die Autor*innen verweisen auf Heden TD, Kanaley JA.: Syncing exercise with meals and circadian clocks. Exerc Sport Sci Rev 2019;47:22–28.
  • 15
    Die Autor*innen verweisen auf Galan-Lopez P, Casuso RA.: Metabolic adaptations to morning versus afternoon training: a systematic review and meta-analysis. Sports Med 2023;53:1951–1961; Kim HK, Furuhashi S, Takahashi M, et al.: Late-afternoon endurance exercise is more effective than morning endurance exercise at improving 24-h glucose and blood lipid levels. Front Endocrinol (Lausanne) 2022;13:957239; und Moholdt T, Parr EB, Devlin BL, Debik J, Giskeødegård G, Hawley JA.: The effect of morning vs evening exercise training on glycaemic control and serum metabolites in overweight/obese men: a randomised trial. Diabetologia 2021;64:2061–2076.
  • 16
    Unter Inzidenz versteht man die Anzahl neu aufgetretener Krankheitsfälle innerhalb einer definierten Population in einem oder bezogen auf einen bestimmten Zeitraum.
  • 17
    UK Biobank Study: Vgl. Naomi Allen, Cathie Sudlow, Paul Downey, Tim Peakman, John Danesh, Paul Elliott, John Gallacher, Jane Green, Paul Matthews, Jill Pell, Tim Sprosen, Rory Collins: UK Biobank: Current status and what it means for epidemiology, Health Policy and Technology, Volume 1, Issue 3, 2012, Pages 123-126, https://doi.org/10.1016/j.hlpt.2012.07.003.

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